C. Dauven-van Knippenberg u.a. (Hrsg.): Medialität des Heils

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Titel
Medialität des Heils im späten Mittelalter.


Herausgeber
Dauven-van Knippenberg, Carla; Cornelia, Herberichs; Christian, Kienig
Reihe
Medienwandel – Medienwechsel – Medienwissen 10
Erschienen
Zürich 2009: Chronos Verlag
Anzahl Seiten
357 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Kathrin Utz Tremp, Staatsarchiv Freiburg

Der vorliegende Band geht auf die gleichnamige interdisziplinäre Tagung zurück, die in Zusammenhang mit der Ausstellung «Medien des Heils im Mittelalter» vom 8. bis 10. September 2008 auf der Burg Zug in Zug stattfand. Christian Kienig, Einleitung (7–20), führt in den reichhaltigen Band ein. – Bernd Hamm, Die Medialität der nahen Gnade im späten Mittelalter (21–59), entwickelt anhand von Einblattdrucken, die in guter Qualität beigegeben sind, eine Typologie der Gnaden- und Heilsmedialität, die drei Stufen aufweist: die Gnaden- und Heilsmedialität des Erlösers, eine Partizipations- sowie eine Erleichterungs- und Hilfsmedialität; die Einblattdrucke gehören zur dritten Kategorie, die insbesondere durch die Reformation verworfen wurde. – Heike Schlie, Vera Ikon im Medienverbund. Die Wirksamkeit der Sakramente und die Wirkung der Bilder (61–82), unterscheidet zwischen Medien des Heils, die «das Heil in wirksamer Weise ohne weitere Vermittlung erzeugen oder bezeugen können» (Sakramente, Heilige Schrift, Blutzeugnisse der Märtyrer, Reliquien, Wunder, Ablass, Visionen, Liturgie) und Medien des Heilsdiskurses (Bilder, Architektur, Schriften, Musik, geistliche Spiele bzw. alle Formen der Paraliturgie), und stellt für das Spätmittelalter Formen von Intermedialität bzw. Transmedialität fest, so einerseits «eine tendenzielle Heiligung der Bilder bzw. der Bildersubstanz durch wirkliche Heilsmittel» (Vera Ikon) und andererseits «eine visuelle bzw. wahrnehmungstechnische Aufladung der tatsächlichen Heilsmittel durch Bildstrategien».

David Ganz, Gemalte Geheimnisse. Die Stigmatisierung Katharinas von Siena und ihre (Rück-)Übertragung ins Bild (83–110), schildert die Schwierigkeiten, die Stigmatisierung Katharinas von Siena, die nur an ihrem inneren Körper erfolgte, bildlich darzustellen. – Marius Rimmele, (Ver-)Führung durch Scharniere. Zur Instrumentalisierung kleinformatiger Klappbilder in der Passionsmeditation (111–130), zeigt anhand eines Elfenbein-Diptychons mit Szenen der Passion und des Marienlebens (Paris 1360–1380) und eines mittelrheinischen Keltertreter-Altartriptychons (1500–1510), wie zwischen Passion und Marienleben bzw. zwischen Aussen- und Innenseite vielfältige Bezüge geschaffen werden können. – Laut Britta Dümpelmann, Non est hic, surrexit. Das Grablinnen als Medium inszenierter Abwesenheit in Osterfeier und -bild (131–164), setzt die Tendenz, die Leere des Grabes zusätzlich durch ein markant akzentuiertes Tuch zu betonen, sowohl beim Osterbild als auch bei der Osterfeier im ausgehenden 10. Jahrhundert ein. Seit dem ersten Viertel des 12. Jahrhunderts wird das Grabtuch auch im Osterbild aus der Grablege herausgeholt und szensisch wesentlich stärker in die Bildhandlung eingebunden. Dabei ist das klassische Rollenschema im Osterbild offensichtlich stärker festgelegt als in der Feier: im Bild bleibt das Tuch in den Händen des Engels, während es in der Feier auch von den Marien gehalten wird. Seit dem 12. Jahrhundert wagten die Künstler erstmals, die Auferstehung als Vorgang darzustellen: das «alte» Auferstehungsbild bekam Konkurrenz durch ein neues, unmittelbareres. Es kam auch vor, dass beide nebeneinander zu stehen kamen, der Auferstehungschristus sogar vor dem Besuch der Frauen am Grab, so dass der Betrachter gewissermassen in die Rolle des allwissenden Erzählers gerückt wird; dabei geht die absenzinszenierende Funktion des Grablinnens weitgehend verloren, und dieses wird zur abgestreiften Hülle des zurückgelassenen menschlichen Körpers. Im Osterspiel wird das Tuch zur Reliquie. – Barbara Dietrich, Das Konstanzer Heilige Grab. Inszenierte Absenz (165–188), meint dass in dem von ihr beschriebenen Heiligen Grab von Karfreitag bis Ostern lediglich eine Hostie beigesetzt wurde. Nichtsdestoweniger ist in einem Ceremoniale von 1502 ein Bildwerk belegt, das auf einer Bahre mitgeführt wurde, möglicherweise ein hölzerner Grabchristus, und wird heute noch ein zerlegbarer Holzsarkophag temporär im Heiligen Grab aufgestellt. Sollte man zu Ende des 15./Anfang des 16. Jahrhunderts die eucharistische Botschaft des 13. Jahrhunderts nicht mehr verstanden haben?

Henrike Lähnemann, Die Erscheinungen Christi nach Ostern in Medinger Handschriften (189–202), kommt zum Schluss, dass das Heil in den Oktavhandschriften, die zwischen 1479 und der Einführung der Reformation in Lüneburg im norddeutschen Zisterzienserinnenkloster Medingen entstanden, «fast agressiv und definitiv multimedial» vemittelt werde. – Ulrike Hascher-Burger, Zwischen iubilus und canticum. Lieder in Meditationen bei Johannes Mauburnus und in Gebetbüchern aus dem Kloster Medingen (203–215), vergleicht die gleichen Gebetbücher aus dem Frauenkloster Medingen mit den Liedern in den Mediationen des Johannes Mauburnus, Regularkanoniker im Windesheimer Kloster Agnietenberg bei Zwolle und Freund von Thomas a Kempis. In der Devotio moderna diente Musik als «Katalysator für die Verstärkung von Emotionen, mit Hilfe derer die Frömmigkeit während der Meditation entflammt werden konnte». – Tanja Mattern, Liturgie im Text. Vermittlungsstrategien der Wienhäuser Messallegorie (217–239), beobachtet, wie die Liturgie der Messe in einer Messallegorese einem «in Liturgie und Allegorese durchaus geschulten, wenn auch nicht notwendig im engeren Sinn ‹gelehrten› Publikum» erklärt wurde. Diese Publikum bildeten die Nonnen des Zisterzienserinnenkloster Wienhausen (ebenso wie Medingen auch eines von sechs Lüneburger Frauenklöstern), wo die Messallegorese, die in der Tradition der expositiones missae steht, kurz nach 1300 in mittelniederdeutscher Sprache geschrieben wurde.

Johanna Thali, Strategien der Heilsvermittlung in der spätmittelalterlichen Gebetskultur (241–278), stellt Gebete aus der spätmittelalterlichen Bibliothek der Benediktinerinnen von Sarnen vor, die erst 1615 von Engelberg nach Sarnen verlegt wurden (Stiftsbibliothek Engelberg, Cod. 62, 125, 140, 155 [das sog. Engelberger Gebetbuch], 339). Die volkssprachlichen Gebete versuchen offensichtlich an das liturgische Geschehen und das monastische Stundengebet anzuknüpfen. Letztlich aber standen die normativen Texte, wie sie auch im Engelberger Gebetsbuch überliefert sind, dem «quantifizierenden» Beten durchaus kritisch gegenüber: «Nicht viele Worte machen». Das vollkommenste Gebet ist dasjenige, das ohne Medien und Medialität auskommt. – René Wetzel, Mystischer Weg und Heilserfahrung. Präsenzkonzepte und -effekte der Engelberger Lesepredigten (2. Hälfte des 14. Jahrhunderts) (279–295), macht anhand der Engelberger Lesepredigten ganz ähnliche Beobachtungen wie Johanna Thali anhand der Engelberger Gebete. – Sabine Griese, «Regularien ». Wahrnehmungslenkung im sogenannten Leben Jesu der Schwester Regula (297–315), stellt anhand des erwähnten Textes fest, wie die Präsenz Christi u. a. durch eine Beschreibung seines Aussehens hergestellt wird (wobei betont wird, dass er nie gelacht, wohl aber häufig geweint habe). Bei dem Leben Jesu der Schwester Regula handelt es sich um eine Übersetzung der lateinischen Vita Christi des Augustinereremiten Michael de Massa aus dem 14. Jahrhundert, der von der Schreibmeisterin Regula aus dem Zisterzienserkloster Lichtenthal am Stadtrand von Baden-Baden nicht übersetzt, sondern nur abgeschrieben worden ist. – Carla Dauven-van Knippenberg und Elisabeth Meyer, also sye geschen sein. Evangelienharmonie und Heil (317–330), untersuchen, wie Evangelienharmonien (das Corpus ist S. 320 aufgelistet) mittels von ausführlichen vor- oder nachgestellten Perikopenverzeichnissen nur mühsam auf die Gottesdienste des Kirchenjahres angepasst wurden. – Angela Schiffhauer, Wunderbare Glasfenster. Zur Frage der Wahrnehmung gläserner Bilder in mittelalterlichen Heiligenviten (331–350), stellt Blindenwunder vor aus der zweiten Vita des hl. Liudger (gest. 809), des ersten Bischofs von Münster und Gründers der Abtei Werden, aus der Vita des seligen Ansfried von Löwen (gest. 1010), einst Graf und später Bischof von Utrecht, sowie aus einer umfangreichen Mirakelsammlung, die im Rahmen des Kanonisationsprozesses des hl. Thomas Cantilupe (Bischof von Herford 1272–1282, heiliggesprochen 1320) angefertigt wurde, und kommt zum Schluss, «dass Bildfenstern ein spezifisches Potenzial zugeschrieben wurde, im Kontext von Blindenmirakeln Transformationsprozesse für körperliches und seelisches Heil anzuzueigen oder gar einzuleiten».

Zitierweise:
Kathrin Utz Tremp: Rezension zu: Nicole Bériou/Jacques Chiffoleau (Hg.), Economie et religion. L’expérience des ordres mendiants (XIIIe–XVe siècle) (=Collection d’histoire et d’archéologie médiévales, Bd. 21), Lyon, Presses universitaires, 2009. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 104, 2010, S. 483-484.

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